Herbert Ullrich, Schädel-Schicksale historischer Persönlichkeiten,
München: Verlag Dr. Friedrich Pfeil, 2004,
336 Seiten, 266 Abbildungen, gebunden, EUR 38,-

Als Swedenborgianer glauben wir ja immer, Swedenborg werde nicht genügend beachtet. Da mag es Balsam für unsere Seelen sein, daß dieser größte Kopf des 18. Jahrhunderts, dem die Stanford University den unglaublichen Intelligenzquotienten von »über 200« zuschrieb, endlich einmal in einer Reihe mit René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz und Immanuel Kant genannt wird.

Ein Schädel-Schicksal

Allerdings gilt die Beachtung genau genommen nicht dem Kopf, sondern nur dem Schädel, – post mortem. Und derjenige, der Swedenborg solche Beachtung schenkt, heißt Herbert Ullrich und ist weder Theologe noch Philosoph, wohl aber ein international bekannter Anthropologe an der Berliner Humboldt-Universität. In seinem Sachbuch beschreibt er in 66 ausgewählten Kapiteln besonders interessante und überaus wechselvolle »Schädel-Schicksale« von Komponisten und Malern, Dichtern und Denkern, Philosophen und Gelehrten, Heiligen und Geistlichen, Rittern und Hoffräuleins, Feldherren und Admiralen, Adeligen und Bürgern, Fürsten und Grafen, Kaisern und Königen sowie von Großfürsten und Zaren.

Der Geisterseher, der schon zu seinen Lebzeiten auf Erden viel unterwegs war, ging auch post mortem noch einmal auf Reisen. 1908 wurden seine Gebeine ehrenvoll auf der schwedischen Fregatte Fulgia von England nach Schweden überführt. Die Feierlichkeit hatte allerdings einen Haken, denn der Schädel des berühmten Mannes blieb in London zurück, – in einem Regal. Nachdem nämlich der aus Schwaben stammende Mediziner Franz Joseph Gall (1758 – 1828) die Phrenologie (Schädellehre) begründet und bekannt gemacht hatte, setzte Anfang des 19. Jahrhunderts eine regelrechte Jagd auf Menschenschädel ein, die auch vor Leichenschändung nicht zurückschreckte. Der Schädel des Dichters William Schakespeare wurde 1794 aus der Gruft auf dem St. Trinitatis-Friedhof in London gestohlen. Den Schädel von Wolfgang Amadeus Mozart hat wahrscheinlich der Totengräber 1801 bei der Umräumung des mehretagigen Schachtgrabes an sich genommen. Joseph Haydns Leichnam ist 1809 nur wenige Tage nach der Bestattung von einem Gall-Adepten der Kopf im Grabe abgetrennt worden. Als 1818/19 der Sarkophag von René Descartes in das Panthéon in Paris überführt wurde, fehlte der Schädel. Dieses Geschick ereilte auch Swedenborgs Schädel. 1816 wurde er von dem Phrenologen John Didrik Holm, einem in London lebenden, wohlhabenden schwedischen Seekapitän, aus dem Sarg entwendet und gegen einen anderen ausgetauscht. Seitdem existierten zwei Swedenborg-Schädel; der falsche reiste nach Schweden und der echte blieb in England. Erst am 3. Mai 1978 konnte in der Kathedrale von Uppsala Swedenborgs echter Schädel im Beisein von Vertretern der Swedenborg-Familie, des Ministeriums für Erziehung und Kultur sowie der Königlichen Akademie der Wissenschaften nach mehr als 160 Jahren wieder in das Grab gelegt und mit dem Körperskelett Swedenborgs vereint werden.

Herbert Ullrich erzählt diese und andere Geschichten sehr ausführlich. So ist ein spannend geschriebenes und wissenschaftlich fundiertes Buch entstanden, das auf seine Weise beleuchtet, was einem post mortem alles passieren kann.